aus Quodlibet

Warten auf  St. Helena

Am Morgen erwachst du, Sorge und Hoffnung im Herzen…, den Tag über läufst du tausend Verpflichtungen nach…, am Abend – du bist heimgekehrt von deinen Wünschelrutengängen – winkt Freiheit, Freisein in eng gezo-genen Grenzen und Warten, Warten…: weil dich das Schicksal auf eine Insel verbannt hat, obwohl du freiwillig dort sitzt. Zum Insulaner hat dich das Leben gestempelt; aber es war dein unumstößlicher Wille, Inselbewohner zu sein…: eingekreist von erstarrten Wogen versteinerter Meere, umgeben von Eiswällen… und doch inmitten eines Ozeans. Und deine Insel heißt St. Helena; und du bist Robinson, und du bist Napoleon in der Verbannung, bist Kaiser (auf deiner Insel) und König (auf deinem Eiland) und bist, dass du bist und weil du sein mußt; weil das Schicksal – nein, dein Geschick, weil jede Schickung letztlich höherer Wille ist – Berufung unter das heilende oder vernichtende Kreuz.

Einsamer Wanderer auf knappen zehn Quadratkilometern. So groß ist deine Insel und so klein. Zum Peripatetiker hat dich das Leben gemacht. – Immer die Umrundung deiner Insel (einer Schreibtisch-Insel)…

Und der Schluss:

Aber einmal – dein Auge ist endgültig müde geworden und dein  Geist, deine Seele leer und dein Herz: einmal wird urplötzlich am Horizont ein alles versengendes Licht aufsteigen…, und du wirst auf deine Klippe eilen – längst hast du dein Rohr zum Plunder geworfen! – um dich dem so lang Erwarteten zu öffnen… und Licht in dich einsaugen, mit den Händen das Licht greifen und nur mehr Licht sein… Und wirst von deiner Klippe steigen, deine Insel verlassen, zum Festland übersetzen, unter die Men-schen gehen und dein Licht verströmen…: das große Licht von Godots brennender Liebe.