aus der Helena-Reihe

S t .  H e l e n a  I  –  Die Insel (Einleitung)

‚St. Helena‘, schrieb Wilhelm N. einleitend zu seiner Chronik der laufenden Ereignisse – einem Auftragswerk des Instituts für kritische Heimatfor-schung in A. (Anbruck), ‚ist eine kleine Insel von knapp 30 Quadratkilome-tern. Sie liegt, topographisch gesehen, etwa 47 Grad nördlicher Breite und 13 Grad östlicher Länge (plus – minus). Die Insel ist gebirgig; die kleine Stadt gleichen Namens – neben einigen unbedeutenden Weilern einziger Ort der Insel – breitet sich in einer von einem Bergkranz gebildeten Senke aus, die nur wenige Zugänge zum Meer lässt. Da sich am Grund dieser – eigentlich eine Mulde oder flacher Trichter – nur beschränkt Platz findet, quellen die Häuser wie Pilzkulturen an den Berglehnen hoch. – Die Be-wohner St. Helenas, vor allem die alteingesessenen unter ihnen (die Urschicht), glauben, dass sie und ihre Insel einmalig wären, obwohl, wie allgemein bekannt ist, ein verhältnismäßig großer Teil der Bevölkerung, namentlich die Intelligenz des Ortes, aus Zugewanderten besteht. Viele der Eingeborenen behaupten sogar, dass es auf dem Archipel wahrscheinlich keine zweite Insel mit ähnlich vernünftigen Wesen gäbe…

S t .  H e l e n a  X  –  aus dem Vorspann ‚Narrentrilogie‘

Der Narr (Spieler)

Gestatten, dass ich mich vorstelle: Bin der  N a r r ,  der große Narr – anthro-momorphe Abspaltung des Autors… Womit der Grundton angeschlagen, die Grundsituation umrissen, mein Auftrag geklärt ist…

Sie sehen: steh‘ im Mittelpunkt des Podiums, dort, wo sich die Bodendiago-nalen kreuzen, aber doch nur bedingt ‚auf den Brettern, die (angeblich) die Welt bedeuten‘ – vielmehr werden Sie feststellen,  S i e ,  die im  Grunde gar nicht anwesend, sondern abwesend sind – sprech‘ lediglich zu leeren Stüh-len…, ja, werden feststellen, dass ich währen des Spielens dieses Nicht-Spiels mehr und mehr versinke, bis nur mehr der Kopf… – Sie sehen ja: meine Narrenschuhe sind schon zu  d i e s e m  Zeitpunkt nicht mehr sichtbar; dabei: es wird noch ganz anders kommen, wenn ich erst dem ‚Dada‘ und dem Nichts zu Leibe rücke. Der Narr wird dem einen wie dem andern den Garaus machen; oder auch nicht… Oh, diese meine Schwäche für alles Narrhafte, Närrische! Es ist wunderbar, ein Narr zu sein, stets in Narrenkleidung herumzulaufen und damit jedem zu suggerieren: Ich bin einer von der Narrenzunft!

Aus dem Zehnerbuch:

Tagebuch:  Bin ich an einem Totpunkt des Buchs angelangt? Dieser Tag war voll Rumoren, Ächzen und Poltern:  d e r  V u l k a n !  –  aber es kam keine Lava… Gewiss, fühlte mich abgespannt; aber die Ursache muss tiefer sitzen, muss eine sein, die das Fließen der Assoziationen gar nicht erst aufkommen ließ. Irgend etwas hat offenbar sowohl mich als auch das Buch selbst (die Buch-Kugel) verstört. – Sag bewusst‚ mich und das Buch‘, da wir beide doch eine Einheit bilden… Was den einen aus dem Konzept bringt, bringt auch den andern daraus. Das eben ist Einheit von Autor  und Werk!  Forts. à la Roman:  Ja, diese Verstörung!  W a r  es solche und nicht vielmehr Aus-wuchs seiner, Wilhelm N’s nach wie vor so fremden Kugelwelt? Das ganze bisherige St. Helena X, nein, die Helena-Bände überhaupt: war‘s nicht, besser: waren sie nicht ein einziges Hineinfragen in seine eigene Mensch-lichkeit – das Menschliche und sogar das Übermenschliche? Ging also wieder der ‚Übermensch‘ um?! Aber der konnte nicht gemeint sein. Wil-helms übermenschlich Gemeintes war ein anderes; nicht eines ‚jenseits von Gut und Böse‘; es  w a r  einfach; war ‚in der Kugel‘, in der Kugel  G o t t .  –  W a r ?  Auch nicht, da es ein ‚war‘ im Kugeligen nicht gab, bloß bestehende Gegenwärtigkeit!