aus Das Tal der Hässlichen

Kapitel ‚Sonnengebärden‘

Die Sonne stand steil und sengend im Mittag. Ihr feuriger Ball maß sich lodernd an der unendlich weiten Rundung des Tals, das in ihrem Brand zu schrumpfen schien… Ich hatte trotz dieser Hitze plötzlich den Wunsch, in ihren flammenden Leib zu greifen, so alles Hässliche, was ich in der Kürze der Wanderung schon in mich aufzunehmen genötigt worden war, gleich-sam aus mir herauszubrennen, da ich Sorge hatte, es werde von all dem etwas an mir kleben bleiben – trotz des gekreuzten Holzes und der Perlen, trotz dieses so einmaligen und einzigen Schutzes, in welchem ich durch diese Tage ging. Ich konnte diesen Wunsch freilich nur gebärdenhaft aus-führen… Mein Führer mochte den Sinn meines Tuns erraten; denn er wandte sich mir halb zu, sichtlich betroffen von meiner Geste, aber schließlich tauchte auch er seine Hand in die Sonne, indem er sich mir über das gekreuzte Holz hinweg verband. Aus seinem verkümmerten linken Auge brach ein Strahl der Hoffnung, den ich sofort durch eine weitere Gebärde, die das Holz in die Luft stellte, zu verstärken suchte. Sein glän-zendes rechtes Auge schien in diesem Augenblick um ein Mehrfaches vergrößert, und mehr denn je war mir mein  Führer ein Rätsel, das ich noch zu ergründen gedachte…

Kapitel ‚Die Quadratur des Tals‘

Im folgenden war es mir, als schritte ich plötzlich durch in die Landschaft gesetzte Glaswürfel; denn die Luft war hart wie bisher nirgendwo, und ich hatte die Empfindung, als atmete ich Scherben. Dazu kamen seltsame Spiegelphänomene, die uns selbst, aber auch die Dinge des Tals, in farbiger Brechung und wie simultan  zeigten.

Diese Vervielfältigungen und Spiegeleffekte verunsicherten mich und meinen Führer sosehr, dass wir schließlich nicht mehr registrieren konnten, ob wir uns vorwärts oder rückwärts bewegten. Auch die Be-fragung meines Holzes fiel mir immer schwerer; denn  auch dieses sah ich in tausend  Farben und Brechungen, in Auflösung und Zerfließung… So hatten wir keine andere Möglichkeit, als blind dahinzuschreiten – in der Hoffnung, dass wir nicht im Kreis oder, dem Bild gemäß, in Kanten und Winkeln gingen. Wir fühlten uns Gefangene einer quadrierten und kubierten Welt.