Irrlichter

Bonattis Texte sind erratische Blöcke in der Landschaft unsrer Gegenwarts-literatur. Von ihnen geht eine doppelte Faszination aus, welche auf der meta-physischen Besessenheit des Autors wie auf ihrer formal-ästhetischen Ge-schlossenheit beruht.

Unser so oft zitiertes Zeitalter der Sprachlosigkeit erweist sich bei Bonatti als ein Zeitalter der Sprechlosigkeit, der Unfähigkeit zum Dialog, nicht aber seiner Unmöglichkeit zum inneren, metaphysisch fundierten Monolog.

Bonattis Sprache bleibt keinen Augenblick länger als nötig an der Oberfläche. Schon nach wenigen prägnanten Sätzen der Einleitung strebt sie der Tiefe zu, bricht Schale um Schale der Bewußtheit auf, entblättert die seelischen Struk-turen, schonungslos sezierend. Wer die Kontexte dieser Texte er-faßt und um-greift, weiß mehr vom geistigen Zustand unsrer Welt, als ihm Tonnenladungen von Tatsachenberichten vermitteln können.

Bonattis Texte sind in sich geschlossene Klein-Kosmologien, in welchen die grammatikalischen Zusammenhänge zugunsten musikalischer Formprinzipien durchbrochen werden – ähnlich wie die Reihentechnik in der Musik die Harmo-nik umfunktioniert. Bei näherem Zusehen erweisen sich die erratischen Blöcke seiner Prosa als feinziselierte, diffizil durchformte Gebilde mit ineinander ge-schachtelten Themensplittern, Motivschleifen und  kontrapunktischen Zusam-menhängen. Hier steht nach strenger Durch-Arbeitung kein Wort zu viel oder zu wenig. Der Leser steht im Nachvollzug eines autonomischen Reinigungspro-zesses der Sprache…